Vaginismus: Ist meine Scheide zu eng?
Vaginismus ist eine schmerzhafte Erkrankung der Scheide, die den Sex unmöglich machen kann. Wir erklären dir, welche Symptome auftreten können und wie die Krankheit behandelt werden kann.
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Vaginismus ist eine ernstzunehmende sexuelle Funktionsstörung, die bei Frauen jeglichen Alters auftreten kann. Studien zufolge leiden weltweit etwa 1-7 Prozent der Frauen unter dieser Blockade. Wobei die angenommene Dunkelziffer wahrscheinlich höher ist. Die zu enge Scheide belastet Betroffene nicht nur physisch sondern auch psychisch. Bei uns erfährst du die Symptome und wie die Behandlung der Krankheit aussehen kann.
Was ist Vaginismus?
Beim Vaginismus erleiden betroffene Frauen einen Scheidenkrampf oder verspannen sich unwillkürlich, sobald etwas in die Vagina eindringt: eine Abwehr- bzw. Schutzreaktion des Körpers. Dadurch entsteht das Gefühl, dass die Scheide zu eng ist. Der Grund: Die Vaginal-, Beckenboden-, Damm- und teilweise auch Oberschenkelmuskulatur verkrampfen oder verspannen sich.
Sex ist für viele Betroffene aufgrund der erheblichen Schmerzen unmöglich, selbst wenn nur ein Finger in die Scheide eindringt, kann es schon erhebliche Schmerzen verursachen. Und auch das Einführen eines Tampons oder Kontrolluntersuchungen beim Frauenarzt sind für Erkrankte eine schmerzhafte Prozedur.
Viele Frauen mit Vaginismus beschreiben diese Verkrampfung mit dem Gefühl einer zu engen Scheide oder dass der Penis in ihren Augen als zu groß für die eigene Vagina empfunden wird.
In ihrem Buch "Wenn der Körper Nein sagt: Vaginismus verstehen und heilen" erklärt Sabine Schmidt, Therapeutin, die mit körperorientierter Psychotherapie arbeitet, die zwei Formen der sexuellen Funktionsstörung:
Den primären Vaginismus, welcher in der Pubertät oder als junge Erwachsene entdeckt wird. Hier haben Betroffene solch starke Beschwerden, dass es nicht möglich ist, etwas schmerzfrei in die Vagina einzuführen.
Den sekundären Vaginismus, bei dem die Beschwerden erst später, nach dem Erleben von "normalen" sexuellen Erfahrungen, auftreten.
Wie Schmidt weiter erklärt, treten in Zusammenhang mit dem Vaginismus auch Vulvodynie und Dyspareunie auf. Als Vulvodynie werden Schmerzen wie Wundsein, Stechen, Jucken, Brennen an Schamlippen, der Klitoris, der Harnröhre und dem Damm bezeichnet.
Ohne dass äußerlich etwas zu sehen ist. Bei einigen Frauen entsteht der Schmerz durch Berührung, für manche Betroffene ist sogar Fahrradfahren nicht möglich, andere leiden unter den Symptomen die ganze Zeit. (Sabine Schmidt: Wenn der Körper Nein sagt. S. 24)
Dyspareunie meint alle Beschwerden und Schmerzen im Zusammenhang mit dem Eindringen in die Vagina. Dabei können die Schmerzen vor, während oder nach dem Sex auftreten. Ganz genau trennen lassen sich Dysparenie und Vulvodynie nicht voneinander.
In der Medizin wird der nichtorganische Vaginismus und Dyspareunie unter dem Begriff Genito-Pelvine Schmerz-Penetrationsstörung (GPSPS) zusammengefasst. (Sabine Schmidt: Wenn der Körper Nein sagt. S. 24) Wobei der Ausdruck Vaginismus übergreifend weiter genutzt wird.
Ursachen von Vaginismus
Mögliche Ursachen für Schmerzen beim Sex gibt es viele. Deshalb sollte zunächst bei einer gynäkologischen Untersuchung geklärt werden, ob ein Infekt wie eine Pilzinfektion, eine Harnwegsinfektion oder eine andere organische Ursache hinter den Symptomen steckt.
Viele Frauen brauchen vor der Penetration mehr Zeit, um feuchter zu werden und den Geschlechtsverkehr genießen zu können. Die Körpertherapeutin empfiehlt in dem Fall auch auf Gleitgel zurückzugreifen. Kommen diese und andere medizinische Gründe als Möglichkeit nicht infrage, ist es umso wahrscheinlicher das Vaginismus vorliegt.
Wie oben erwähnt gibt es zwei Arten der sexuellen Funktionsstörung: den primären und den sekundären Vaginismus. Beim primären Vaginismus ist es der Frau unmöglich etwas in die Vagina einzuführen, ohne dass es Schmerzen verursacht. Die Beschwerden werden meist erst in der Pubertät festgestellt, da vorher schlichtweg nicht der Versuch unternommen wurde, etwas in die Scheide einzuführen.
Der sekundäre Vaginismus wird durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst. Das kann unter anderem ein traumatisches Ereignis, wie eine komplizierte Operation im Intimbereich, eine Verletzung, eine Vernarbung oder eine komplizierte Geburt sein.
In seltenen Fällen ist die Frau von sexuellem Missbrauch betroffen. Auch unangenehme Untersuchungen beim Gynäkologen, Angst vor einer Schwangerschaft, Ängste im Allgemeinen, hormonelle Veränderungen in der Menopause, überfordernde (sexuelle) Erfahrungen oder seelische Leiden und emotionaler Stress wie Trauer können die Scheidenkrämpfe verursachen.
Psychotherapie ist wichtig
Zunächst muss geklärt werden, ob die Verkrampfungen der Scheide psychischer oder physischer Natur sind. Sind traumatische Ereignisse und daraus entstehende Gefühle wie zum Beispiel Scham die Ursache der Erkrankung sollte definitiv ein Psychotherapeut zurate gezogen werden. Aber auch bei körperlichen Ursachen für die Verkrampfung der Scheidenmuskulatur, wie zum Beispiel eine Muskelfunktionsstörung, ist eine psychologische Betreuung ratsam, da die Betroffenen Sex nur mit Schmerzen verbinden.
Da es für Vaginismus keine standardisierten medizinischen Tests gibt, ist eine Diagnose schwer zu stellen. Viele betroffene Frauen empfinden oft Scham und Frustration und trauen sich nicht das Thema "enge Vagina" und Schmerzen bei der Penetration bei ihrer Gynäkologin oder Gynäkologen anzusprechen.
Oder meiden die Fachärzte wegen der Angst vor den Schmerzen bei der Untersuchung ganz. Da Vaginismus beziehungsweise Scheidenkrämpfe in den meisten Fällen auf ein emotionales Problem zurückzuführen sind, sollte die Erkrankung jedoch immer behandelt werden.
Geschieht dies nicht, verschlimmern sich nicht nur die Schmerzen, sondern auch die psychische Belastung für die Betroffene.
Je länger die eigene Sexualität darunter leidet, desto mehr steigt die Angst und die Frustration darüber, was wiederum zu mehr Stress und Leid bei den Betroffen führt.
Am wichtigsten ist es den ersten Schritt zu machen und das Problem jemandem anzuvertrauen. Ob dem Partner oder dem Gynäkologen bzw. der Gynäkologin, der dabei unterstützen kann Wege aus dem Vaginismus raus zu finden oder dich über die Therapie-Möglichkeiten aufklären kann.
Auch eine Sexualtherapie kann dabei helfen der Funktionsstörung auf den Grund zu gehen und die psychischen Ursachen für die schmerzhaften Verkrampfungen des Beckenbodens zu finden.
In der Therapie lernst du deinen eigenen Körper und dich selbst besser kennen, bekommst Hausaufgaben und versuchst herauszufinden, was den Scheidenkrampf bei dir auslöst und mit welchen psychischen und physischen Übungen du die wiederkehrenden Scheidenkrämpfe behandeln kannst.
Behandlung von Vaginismus
Da jede Frau anders ist und es unterschiedliche Grade der Symptome und Ursachen für diese Erkrankung gibt, sprich auf jeden Fall mit deiner Ärztin oder deinem Arzt darüber, welche Therapien und Behandlungen am besten für dich in Frage kommen. Folgende Behandlungsmethoden können helfen, die Symptome zu lindern.
Vaginaldilatoren: Auf körperlicher Ebene kann die Vagina mit sogenannten Dilatoren behandelt werden. Dabei handelt es sich um Stäbe in einer konischen Form, die es in verschiedenen Größen gibt.
Die Stäbe werden in die Scheide eingeführt, um das Geschlechtsorgan an das Eindringen zu gewöhnen und die Scheidenmuskulatur zu lockern. Zunächst wird ein kleiner Vaginaldilator zur ersten Dehnung verwendet. Dann wird die Größe langsam gesteigert, um den schmerzfreien Geschlechtsakt möglich zu machen.
Training der Beckenbodenmuskulatur: Auch regelmäßiges Training für den Beckenboden kann helfen, die Krämpfe zu lösen.
Entspannungsübungen: Gegen Verspannungen der Scheide sind aber auch Entspannungsübungen hilfreich, die Körper und Geist unterstützen. Zum Beispiel progressive Muskelentspannungs-Übungen, die Angststörungen und Stress mindern aber auch Schmerzen lindern können.
Achtsamkeitsübungen und Yoga (ob als professioneller Online-Kurs oder beim Experten vor Ort): Diese können ebenfalls helfen dich und deine Muskulatur zu entspannen.
Betäubende Salben: Diese werden kurz vor dem Geschlechtsverkehr im Intimbereich aufgetragen. Doch diese Behandlung heilt natürlich nicht sondern mindert lediglich kurzfristig die Symptome. (Sabine Schmidt: Wenn der Körper Nein sagt. S.26)
Injektion von Muskelrelaxantien: Durch das Spritzen von krampflösenden Mitteln direkt in die Scheidenmuskulatur können Verkrampfungen zumindest vorübergehend gelöst werden. Trotzdem raten viele Experten davon ab, da diese Methode samt möglicher Nebenwirkungen noch nicht genug erforscht ist. (Sabine Schmidt: Wenn der Körper Nein sagt. S.26)
Das kannst du selbst tun: Hilfe bei Scheidenkrämpfen
Wenn du dich noch nicht traust die krampfartigen Schmerzen anzusprechen oder du dich für eine professionelle Therapie noch nicht bereit fühlst, gibt es Bücher mit gezielten Übungen die du erstmal alleine ausprobieren kannst. So erklärt und beschreibt Isabelle Belius, Autorin des Buches "So therapieren Sie Vaginismus: Der laienverständliche Ratgeber für Betroffene mit Vaginismus, Dyspareunie, Vulvodynie" neben bestimmtem Vaginaltraining, Entspannungsübungen, Mentaltraining und diversen anderen Therapiemöglichkeiten auch Beckenbodenübungen. Eine der empfohlenen Übungen für Einsteiger kannst du zu Hause ausprobieren.
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So geht's:
Die Brücke: Für bessere Durchblutung des Beckenbodens
Lege dich auf eine weiche Unterlage auf den Boden, winkel die Beine leicht an. Die Füße bleiben am Boden, die Arme liegen locker am Körper. (Isabelle Belius: So therapieren Sie Vaginismus, S. 91)
Jetzt hebe Becken und Gesäß an, Füße, Schultern und Arme bleiben dabei am Boden. Die Beckenbodenmuskulatur wird nun bewusst angespannt und die Spannung für etwa 10 Sekunden gehalten. (Isabelle Belius: So therapieren Sie Vaginismus, S. 91)
Dann entspanne die Muskulatur, ohne sich aus der Position herauszubewegen. Wiederhole An- und Entspannung im gleichmäßigen Atemrhythmus einige Male, solange du dich dabei wohlfühlen. (Isabelle Belius: So therapieren Sie Vaginismus, S. 92)
Auch deine Sexualität und Weiblichkeit zu erforschen kann dabei helfen die Angst und die Diagnose Vaginismus zu behandeln.
Selbstbefriedigung: Ob mit den eigenen Fingern oder mit einem Sextoy, laut einer Studie kann Masturbieren nachweislich helfen Schmerzen zu lindern und zu entspannen. Dabei ist es wichtig auf deinen Körper zu hören und dich nicht unter Druck zu setzen. Denn das kann wiederum zu noch mehr Stress führen und die Symptome verschlimmern.
Deine Vagina weiten: Wenn du dich dabei wohl fühlst, kannst du versuchen einen Finger oder einen Tampon einzuführen und ihn langsam in dir zu bewegen. Wichtig ist, dass du dir dabei Zeit lässt, entspannt bist und keinen Druck aufbaust.
Vaginismus ist eine große Herausforderung für die Beziehung
Gerade in Beziehungen ist es schwierig, die Krankheit zu bewältigen, denn der eigene Anspruch seinen Partner sexuell glücklich zu machen ist meist automatisch da, auch wenn der Partner keinen gewollten Druck ausübt. Fühlt sich die Frau unter Druck gesetzt oder schämt sich sogar, kann sich das Krankheitsbild nicht bessern. Umso wichtiger ist eine ausgeprägte Kommunikation untereinander.
Vaginismus ist eine schwerwiegende Erkrankung, die jedoch mit viel Feingefühl und Rücksichtnahme des Partners, sowie psychischer und körperlicher Therapie überwunden werden kann. Hilfe bei Dyspareunie, Vaginismus und Vulvodynie findest du zum Beispiel über die Vaginismus-Selbsthilfe.de. Dort findest du auch viele Partnerübungen, die ihr gemeinsam ausprobieren könnt und die euch dabei helfen können (wieder) ein erfülltes Sexleben zu führen.
Quellen und Lesetipps
Quellen
Sabine Schmidt: Wenn der Körper Nein sagt: Vaginismus verstehen und heilen. Innenwelt Verlag GmbH, Köln, 1. Auflage 2022
Isabelle Belius: So therapieren Sie Vaginismus: Der laienverständliche Ratgeber für Betroffene mit Vaginismus, Dyspareunie, Vulvodynie. Rainer Bloch Verlag, 1. Auflage 15.05. 2021
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