Spätes Liebesglück?

Partner*innensuche ab 60: Expertin verrät: „So anders ist Dating im Alter“

Dating im Alter? Welche Chancen und Herausforderung die Partner*innensuche ab 60 hat.

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Dating ist nur etwas für junge Menschen? Von wegen! Wer sagt, dass man nicht auch im späten Alter die große Liebe treffen kann?

Beim Golden Bachelor sehen wir aktuell, wie 18 Frauen über 60 um das Herz des „Golden Bachelors“ kämpfen. „Das Format liefert nicht nur authentische Geschichten und bricht Stereotypen, sondern eröffnet auch jüngeren Zuschauer*innen eine faszinierende Perspektive auf Romantik und Beziehungen im Alter“, findet Dating-Coach Vanessa Gericke.

Im Artikel verrät sie, warum Dating im Alter Herausforderungen, aber auch besondere Chancen mit sich bringt und gibt Tipps, wie die Partner*innensuche ab 60 am besten gelingt.

Warum ist die Partner*innensuche im Alter oft komplexer?

„Zunächst einmal ist es so, dass die Auswahl an Partner*innen im höheren Alter kleiner wird. Das hat unter anderem statistische Gründe: Laut dem Statistischen Bundesamt sinkt die Zahl der alleinstehenden Männer ab 65 stärker als die der Frauen.

Hinzu kommt: Viele Männer bevorzugen jüngere Lebensgefährtinnen, während Frauen oft gleichaltrige Männer suchen. Das schränkt ein.

Doch das ist nicht unbedingt schlecht. Denn es zwingt uns, offener zu werden und Menschen eine Chance zu geben, die wir sonst vielleicht vorschnell aussortieren würden – sei es wegen des Alters, der Größe oder ihrer Bildung.

Zudem ist man im höheren Alter kein „unbeschriebenes Blatt“ mehr. Viele haben bereits Erfahrungen mit Trennungen, Scheidungen, Verlusten oder anderen Herausforderungen gemacht. Die Angst, wieder verletzt oder verlassen zu werden, hindert viele Singles daran, sich für die späte Liebe zu öffnen.

Es ist wichtig, sich die Zeit zu nehmen, um alte Wunden zu heilen – idealerweise mit Unterstützung, falls nötig. Man sollte sich kein schlechtes Gewissen machen, wenn man bereit ist, sich auf eine neue Liebe einzulassen.

Es ist nicht einfach, sich wieder auf jemanden einzulassen – vor allem, wenn man sich über Jahre hinweg an das Leben als Single gewöhnt hat oder schlicht Angst vor dem Unbekannten verspürt. Viele denken, sie hätten nicht mehr genügend Gelegenheiten, neue Menschen kennenzulernen.

Häufig haben insbesondere Frauen das Gefühl, im Alter weniger attraktiv zu sein. Der erste Schritt ist hier, wieder Gefallen an sich selbst zu finden. Eine Liste mit Dingen, die man an sich liebt, kann schon Wunder wirken.“

Dating mit 60: Diese Vorteile hat die späte Suche nach der Liebe

Auch wenn die Suche nach einem*einer Partner*in einige Herausforderungen mit sich bringen kann, so ist es wichtig, auch die Vorteile von Ü60-Dating im Blick zu behalten. Denn Herausforderungen können einen vor allem dann ausbremsen, wenn ihnen zu viel Raum gegeben wird.

Dating-Coach Vanessa Gericke verrät, welche Vorteile die späte Partnersuche mit sich bringen kann:

  • „Singles über 60 bringen Reife und Lebenserfahrung mit! Frauen in dieser Lebensphase wissen in der Regel ganz genau, was sie wollen – und vor allem, was sie nicht mehr wollen. Es geht nicht mehr um Aussehen, Status oder Karriere – stattdessen zählen gemeinsame Werte, Interessen und eine ähnliche Lebensphilosophie.

  • Diese Klarheit erleichtert die Partner*innensuche, weil die Personen nicht mehr so leichtgläubig sind und sich von übereilten Liebesbekundungen oder unrealistischen Wunschvorstellungen blenden lassen.

  • Frauen über 60 erleben oft eine größere Freiheit in ihren Beziehungen. Sie trauen sich viel mehr, ihre Partnerschaft auf ihre eigene Weise zu gestalten – sei es in Form von getrennten Haushalten oder weniger traditionellen Beziehungsmodellen. In dieser Lebensphase sind sie nicht mehr an gesellschaftliche Normen oder Erwartungen gebunden.

  • Ein weiterer Vorteil im Alter: Der Zeitdruck entfällt. Beziehungen entstehen nicht mehr aus der Notwendigkeit heraus, sondern aus dem Wunsch nach echter Zweisamkeit. Im Fokus stehen Authentizität und Lebensfreude.

  • Die Erkenntnis, dass nicht mehr unendlich viele Jahre vor einem liegen, lässt reifere Paare die Dinge intensiver und bewusster angehen. Dadurch sind ältere Paare offener für das Unerwartete – für Abenteuer, neue Möglichkeiten und die Freiheit, das Leben so zu gestalten, wie es zu einem passt.“

Dating-Coach Vanessa Gericke - Foto: Nils L’hoest

Expertin: Vanessa Gericke

Vanessa Gericke ist ausgebildete psychologische Beraterin/Personal Coach, systemische Beraterin und NLP-Coach und hat sich auf die Bereiche Dating, Partnerschaft und Kommunikation spezialisiert. Mehr Informationen.

Späte Partnerschaft: Diese Werte sind Singles über 60 wichtig

„Von meinen Klientinnen höre ich häufig: ‚Ich möchte jemanden, der ein richtig guter Freund und Weggefährte ist.‘ Es geht nicht mehr darum, den nächsten Schritt im Leben zu planen – wie die erste Eigentumswohnung oder das erste Kind.

Es geht um die Frage: ‚Mit wem kann ich die Zeit, die mir bleibt, wirklich genießen?‘“ Beziehungen werden mehr als Bereicherung empfunden – und weniger als Ziel oder mit dem Druck, dass sie für immer halten müssen.

Dadurch werden Kompromisse, die früher oft erforderlich schienen, um eine gemeinsame Zukunft zu gestalten, heute viel bewusster abgewogen. Die eigene Freiheit und die Fähigkeit, „Nein“ zu sagen, wenn etwas nicht den eigenen Werten entspricht, gewinnen an Bedeutung.

Viele Menschen entwickeln eine größere Abenteuerlust, weil sie spüren, dass jetzt die Zeit ist, Dinge zu erleben und nichts mehr aufzuschieben. Einige Paare probieren gemeinsam neue Hobbys oder Aktivitäten aus, wie Wandern, Golfen oder Segeln – etwas, das sie sich früher vielleicht nicht zugetraut hätten.

Oder sie erfreuen sich an einfachen Alltagsmomenten wie Kochen, Spazierengehen oder gemütlichen Fernsehabenden. Eine Partnerschaft im späteren Leben umfasst oft auch das Teilen von Kindern, Enkeln oder beruflichen Erfolgen.

„Es geht um die Frage: ‚Mit wem kann ich die Zeit, die mir bleibt, wirklich genießen?‘“
Dating-Coach Vanessa Gericke

Viele Paare legen außerdem mehr Wert auf gegenseitige Unterstützung im Alltag. Vorsorge und Hilfsbereitschaft rücken in den Fokus – sei es, sich bei Arztbesuchen zu begleiten oder gemeinsam Pläne für den Ruhestand oder eine altersgerechte Wohnung zu schmieden.

Was Nähe betrifft, verändert sich die Definition: Körperliche Intimität wird nicht mehr nur mit Sexualität verbunden, sondern zeigt sich in gemeinsamen Ritualen, tiefen Gesprächen oder dem Teilen von Erinnerungen und Erlebnissen. Dadurch erleben viele Partnerschaften über 60 eine tiefere emotionale Nähe.

Ein weiterer Wandel betrifft die Wertschätzung für die kleinen Dinge im Leben. Kleine Gesten wie ein liebevoller Blick oder ein spontanes Lächeln werden wichtiger als große Liebeserklärungen. Ein Sonntagmorgen, an dem man zusammen aufwacht, Kaffee trinkt und über alte Geschichten lacht, wird zum Highlight.

Der Umgang mit Verlust ist bei älteren Paaren oft präsenter. Die Lebenserfahrung hat gelehrt, dass Verlust ein natürlicher Teil des Lebens ist – was ihn zwar nicht leichter, aber weniger beängstigend macht. Zeit wird als wertvoller wahrgenommen, wodurch Beziehungen intensiver und bewusster gelebt werden.“

Tipps für die Partner*innensuche ab 60: So kann die späte Liebe gefunden werden!

Worauf kommt es bei der späten Suche nach dem*der Richtigen an?

„Die richtige Haltung ist der Schlüssel! Ich ermutige meine Klient*innen immer, offen und gleichzeitig realistisch auf die Suche zu gehen.

Es ist wichtig, sich nicht von der Angst leiten zu lassen, ‚zu spät‘ zu sein oder zu denken, dass ‚alle guten Partner*innen schon weg sind‘. Mit solchen Gedanken steht man sich selbst im Weg – dabei gibt es so viele Menschen, die ebenfalls auf der Suche sind.

Ein erster Schritt ist die Selbstreflexion: Was erwarte ich von einer Beziehung? Was sind meine wahren Bedürfnisse, und was wünsche ich mir von einem*einer Partner*in?

Diese Klarheit hilft, bewusste Entscheidungen zu treffen, statt sich von gesellschaftlichen Erwartungen oder romantischen Idealen treiben zu lassen.

Und genauso wichtig ist die Versöhnung mit sich selbst: Wer seine eigenen Unvollkommenheiten akzeptiert, begegnet auch den Unvollkommenheiten anderer mit mehr Liebe und Geduld.

Viele Singles über 60 denken, sie hätten das Flirten verlernt oder wüssten nicht, wie der „Dating-Markt“ funktioniert. Flirten ist jedoch wie ein Muskel, den man durch Übung wieder stärken kann. Anfangs mag es ungewohnt sein, aber mit der Zeit wird man sicherer.

Hier hilft es, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln und sich zu trauen, die Initiative zu ergreifen – ohne sich entmutigen zu lassen, wenn der Flirt nicht erwidert wird. Gründe dafür sind vielfältig und oft völlig unabhängig von einem selbst – vielleicht hatte die Person einfach einen schlechten Tag, fühlt sich nicht bereit für eine neue Beziehung oder ist schlichtweg nicht interessiert.

Und das ist völlig in Ordnung. Ob 17 oder 70 – Ablehnung gehört zur Partnersuche dazu – genauso wie Geduld.

Dating ab 60: So können Singles Kontakte knüpfen

  • Aktivitäten, die Spaß machen, in einem größtmöglichen sozialen Kontext ausüben – ob Wandern, Fahrradfahren, Kartenspiele oder Singen.

  • Vereine, Kurse oder Gruppen besuchen, z. B. Tanzkurse, Chorproben, Kochkurse oder Fitnessgruppen.

  • Lokale Veranstaltungen wie Stadtfeste, Ü60-Events oder sogar Single-Reisen ausprobieren. Mittlerweile gibt es auch in größeren Städten Speeddating für fortgeschrittene Altersgruppen.

  • Im Alltag mutig sein: Ein kurzer Blickkontakt im Café oder ein Gespräch im Supermarkt können den ersten Schritt zu einer neuen Bekanntschaft bedeuten.

  • Online-Dating bietet eine fantastische Ergänzung. Plattformen wie Zweisam, Silber Singles oder in Teilen Parship sind auf die Altersklasse Ü60 ausgerichtet und ermöglichen gezieltes Suchen – bequem von zu Hause aus und zu jeder Tages- und Nachtzeit. Kostenpflichtige Plattformen haben oft den Vorteil, dass man dort auf Menschen mit ernsthaften Absichten trifft.

Ein wichtiger Tipp: Zwischen Partnervermittlungen und Singlebörsen unterscheiden. Partnervermittlungen wie Parship oder ElitePartner arbeiten mit Persönlichkeitstests und Algorithmen, die gezielt passende Vorschläge liefern. Singlebörsen sind oft lockerer und ermöglichen eine weniger strukturierte Partnersuche.

Vor einem ersten Treffen hilft ein Telefonat oder intensiver Austausch online, um Vertrauen aufzubauen. Aber auch hier gilt: Erwartungen anpassen. Eine Beziehung muss nicht immer in Zusammenziehen oder Ehe enden. Viele spätere Partnerschaften sind flexibler und weniger von traditionellen Erwartungen geprägt. Eine Freundschaft mit Extras kann genauso erfüllend sein wie eine feste Partnerschaft, wenn beide damit glücklich sind.“

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Warum ist „späte Liebe“ noch immer mit Tabus belegt – und wie geht man damit um?

„Ganz ehrlich? Ich finde es unfair, wie wenig ältere Menschen oft als Liebende wahrgenommen werden. Das Thema ‚späte Liebe‘ ist nach wie vor mit Tabus behaftet, obwohl die Realität längst eine andere ist.

Ein häufiges Vorurteil ist, dass ältere Menschen keine sexuelle Lust mehr hätten oder keine tiefgehenden, leidenschaftlichen Beziehungen führen könnten. Das ist schlichtweg falsch. Viele Menschen Ü60 erleben sogar eine völlig neue Qualität von Intimität – sei es durch emotionale Nähe oder körperliche Verbindung.

Dieses Tabu entsteht oft aus der Vorstellung, dass Liebe und Sexualität nur dann wirklich intensiv und lebhaft sind, wenn man jung ist - was schlichtweg eine gesellschaftliche Fehleinschätzung ist.

Für viele Menschen bedeutet diese Lebensphase eine ‚Wiederentdeckung‘ von Sexualität, frei von früheren Zwängen oder Unsicherheiten.

Ein weiteres Vorurteil ist, dass Menschen in diesem Alter ‚schwer vermittelbar‘ seien oder keine neuen Partnerschaften mehr finden könnten. Doch das Gegenteil ist der Fall: Reifere Menschen wissen oft sehr genau, was sie wollen – und auch, was sie nicht mehr wollen. Diese Klarheit kann die Suche nach einem*einer Partner*in sogar erleichtern, da sie auf gemeinsamen Werten, Respekt und gegenseitiger Unterstützung basiert.

Wie können wir mit diesen Tabus umgehen?

  • Stereotype hinterfragen: Wir müssen uns selbst und die Gesellschaft dazu ermutigen, veraltete Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft im Alter zu überdenken. Beziehungen sollten in jeder Lebensphase als bereichernd und erfüllend betrachtet werden.

  • Offenheit entwickeln: Liebe im Alter ist weder ungewöhnlich noch peinlich – sondern ein natürlicher Ausdruck von menschlichen Bedürfnissen nach Nähe und Zuneigung.

  • Tabus abbauen: Schwierige Themen wie Sexualität oder Verlust offen und in einem sicheren Rahmen anzusprechen, hilft, Scham oder Unsicherheit zu überwinden.“

Artikelbild und Social Media: LukaTDB/iStock