Wenn die Libido nachlässt

Lustlosigkeit in den Wechseljahren: Was Frauen wirklich hilft

Seit den Wechseljahren verspürst du kaum noch Lust auf Sex? Welche Ursachen diese Lustlosigkeit haben kann, liest du hier.

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Jede Berührung ist dir zu viel: Wenn du abends ins Bett gehst, hoffst du inständig, dass sich dein*e Partner*in einfach umdreht und einschläft. Bloß kein Sex – allein der Gedanke daran löst in dir Unbehagen aus. Seit Monaten schon bleibt das Bett kalt, weil du einfach keine Lust mehr verspürst.

Das kann auf Dauer die Beziehung schwer belasten und nicht nur deshalb fragst du dich bestimmt: Was ist nur mit mir los? Und was kann ich selbst dafür tun, um dieser Lustlosigkeit zu entkommen?

Woher kommt meine Lustlosigkeit in den Wechseljahren?

Keine Lust auf Sex zu haben, das trifft längst nicht auf jede Frau ab 50 zu: Manche erleben sogar eine regelrechte Hoch-Zeit, weil sie ein größeres Verlangen als je zuvor spüren und sie in den Wechseljahren besser zum Orgasmus kommen. Die Kinder sind aus dem Haus, allgemein fühlen sie sich weniger gestresst und über Verhütung müssen sie sich auch kaum noch Gedanken machen.

Doch viele Frauen nehmen die Wechseljahre als deutlich belastender wahr. "Etwa 30 Prozent der Frauen ab 50 geben an, dass sie im Laufe dieser Zeit unter Lustlosigkeit leiden", sagt Medizin-Psychologin Prof. Dr. Beate Schultz-Zehden aus Berlin. Sie ist Expertin im Bereich Frauengesundheit, Wechseljahre und Sexualität im Alter und beschäftigt sich intensiv mit dem Thema sexuelle Unlust.

In den Wechseljahren produziert der Körper weniger Östrogen und Gestagen, was zu einer schlechteren Durchblutung der Scheidenschleimhaut führen kann: "Durch den Mangel an Östrogen wird die Vaginalhaut dünner und empfindlicher, sie verliert an Feuchtigkeit und Elastizität", erklärt Prof. Dr. Schultz-Zehden. "Beim Sex kann das schnell zu Schmerzen führen." Kein Wunder, dass man bei diesem Gedanken keine Erregung verspürt und aus Scham lieber Abstand nimmt von stürmischen Bettaktivitäten.

Welche psychischen Ursachen gibt es für meine sexuelle Unlust?

Doch die hormonelle Umstellung ist nur ein Punkt von vielen, die zu sexueller Unlust führen können. Häufig sind es höchst individuelle, seelische Belastungen in den mittleren Jahren, die es Frauen erschweren, sexuell erregt zu sein: Mit steigendem Alter fühlst du dich vielleicht nicht mehr attraktiv genug oder du trägst andere Probleme mit dir herum, die allein vom Kopf her keinen entspannten Sex zulassen. Oft werden die eigenen Eltern in dieser Zeit hilfsbedürftig und dass die Kinder flügge werden ist auch nicht für jede Mutter eine schöne Nachricht.

Dieser neue Lebensabschnitt mit Beginn der Menopause bedeutet außerdem: Die fruchtbare Phase meines Lebens ist vorbei. Das kann durchaus schmerzlich sein.

Hinzu kommen Beschwerden wie Schlafprobleme, Hitzewallungen, das Gefühl einer geringeren Belastbarkeit oder Herzrasen, die während der Wechseljahre auftreten können und zu allgemeinem Unwohlsein führen sowie die Erregbarkeit mindern.

Der schwerwiegendste Grund für nachlassende Lust auf Sexualität liegt allerdings in der Partnerschaft dieser Frauen verwurzelt, ist sich Prof. Dr. Schultz-Zehden sicher: "Früher war man von der Heirat bis zur Rente mit demselben Mann zusammen - heute möchten viele doch noch etwas Neues erleben, sie haben ganz andere Ansprüche an ihr Sexleben." Oft seien Betroffene bereits seit Jahren in ihrer Beziehung sexuell unzufrieden, ohne offen mit ihrem Mann oder einem Arzt oder einer Ärztin zu sprechen. Jetzt plötzlich etwa zu verändern, ist schwierig.

Was kann ich selbst tun, um meine Libido wieder zu steigern?

Ist sexuelle Unzufriedenheit allerdings eine neue Erscheinung in eurer Partnerschaft, startest du am besten damit, deiner Vagina etwas Gutes zu tun. Die dänische Psychologin, Sexual- und Paarberaterin Ann-Marlene Henning erklärt in dem Doku-Format 'Make Love': Durch den hormonellen Wechsel im Zuge des Klimakteriums mag sich zwar die Grundfeuchtigkeit der Vagina verringert haben, doch sie kann im erregten Zustand noch genauso feucht werden wie vorher.

War sonst also die Vagina allein ausreichend, um angenehmen Geschlechtsverkehr zu haben, musst du von nun an einfach ein bisschen mehr in Wallung geraten. Die Feuchtigkeit, die durch Erregung entsteht, ist nämlich unabhängig von Hormonen - deshalb ist es für dich jetzt umso wichtiger, dir mehr Zeit für das Liebesspiel zu nehmen und das Vorspiel nicht zu überspringen. Sollte das nicht ausreichen, gibt es außerdem spezielle Hormoncremes oder Hormonzäpfchen gegen Vaginalbeschwerden. Weitere hilfreiche Produkte sind Östrogen-Gels oder -präparate und Gleitgels. Bei diesen solltest du darauf achten, dass sie keine Inhaltsstoffe wie Alkohol enthalten, die die Vaginalflora angreifen könnten.

Wann hilft eine Hormontherapie bei der Luststeigerung in den Wechseljahren?

Klingen deine Beschwerden nicht ab, kann eine Therapie mit Hormonpräparaten definitiv Linderung verschaffen - allerdings rät Medizinpsychologin Prof. Dr. Beate Schultz-Zehden: "So niedrig dosiert wie möglich, so kurz wie nötig." Das Problem einer solchen Behandlung ist nämlich, dass mögliche Nebenwirkungen noch nicht abschließend geklärt sind. So soll sie unter anderem in Zusammenhang zu einer erhöhten Krebsrate stehen. Entscheide deshalb selbst: Ist meine sexuelle Unlust so dramatisch, dass ich diese Hilfe brauche?

Bedenke dabei auch, dass eine derartige Therapie immer nur die Symptome, nicht die Ursache bekämpfen kann - und die liegt eben oft auch in ungelösten psychischen Konflikten. Zögere nicht, dir für die Lösung professionelle Hilfe zu holen! Setze dich deshalb vor deiner Entscheidung intensiv mit dir selbst und deinen individuellen Risiken etwa für Embolien, Thrombosen oder Brustkrebs auseinander und bitte deinen Arzt oder deine Ärztin um Rat, ob er*sie dir eine Hormonbehandlung empfehlen würde.

Mittelalte Frau sitzt gelangweilt im Bett (Themenbild)
Sexuelle Lustlosigkeit in den Wechseljahren kann verschiedene Ursachen haben. (Themenbild) Foto: AdobeStock / Krakenimages.com

Welche homöopathischen Mittel helfen, meine Lust zu steigern?

Wenn du weniger Risiken eingehen willst, kannst du lieber erst einmal bei pflanzlichen, beziehungsweise homöopathischen Hilfsmitteln bleiben. Rezeptfrei in der Apotheke gibt es zum Beispiel Potenzmittel, die in Tabletten- oder Tropfenform angeboten werden und sich den natürlichen Wirkstoff der Heilpflanze Damiana zunutze machen. Hängt deine Lustlosigkeit mit einem generellen Gefühl von Niedergeschlagenheit zusammen, kannst du außerdem Cimicifuga D6 (Wirkstoff der Traubensilberkerze) ausprobieren. Dosierung: 3 mal täglich 5 Globuli. Speziell für Scheidentrockenheit eignet sich Natrium chloratum D12, das den Wasserhaushalt reguliert. Dosierung hier: 2 mal täglich 5 Globuli.

Gegen schlechte Stimmung kann außerdem Johanniskraut-Extrakt in Form von Dragees und Kapseln helfen, das dein Auf und Ab der Gefühle ausgleichen und dir innere Ruhe geben kann. Seine Wirkung entfaltet sich im Laufe von etwa drei Wochen, macht allerdings deine Haut auch lichtempfindlicher.

Wichtig: Spreche auf jeden Fall immer mit deinem Arzt*deiner Ärztin und/oder Apotheker*in, bevor du entsprechende Mittel zu dir nimmst - auch, wenn es sich dabei "nur" um homöopathische Präparate handelt. Nebenwirkungen können nie ganz ausgeschlossen werden.

Welche Lebensmittel können bei sexueller Unlust helfen?

Die richtige Ernährung ist auf dem Weg zu mehr sexueller Lust ein weiterer hilfreicher Faktor: So sind zum Beispiel in Leinöl, Hanföl oder Chiasamen wichtige Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren enthalten, die einen ausgeglichenen Hormonhaushalt fördern und gut für die Feuchtigkeit und Spannkraft der Haut sind.

Granatäpfel, Hülsenfrüchte, Getreidekleie, Vollgetreide, Hopfen, Salbei und Soja versorgen außerdem den Körper mit Phytoöstrogenen und können so auf natürliche Weise die Libido steigern.

Wie kann Sport zur Luststeigerung in den Wechseljahren beitragen?

Ist dein Östrogenspiegel im Zuge der Wechseljahre sehr niedrig, hat das Auswirkungen auf deinen Serotoninstoffwechsel - mit Sport kannst du ihn wieder ankurbeln und dafür sorgen, dass die Glückshormone stärker ausgeschüttet werden.

Außerdem kann es sich lohnen, Hormonyoga auszuprobieren. Diese spezielle Yogaform soll deine Drüsen, also Eierstöcke, Schilddrüse und Nebennieren stärken und Wechseljahresbeschwerden lindern. Es steigert auch das weibliche Sexualhormon Östradiol, was allerdings problematisch sein kann, falls du an Erkrankungen leidest, die vom Östrogenspiegel abhängen. Frage deshalb auch hier deinen Arzt oder deine Ärztin, wenn du mit Hormonyoga starten möchten!

Kann ich meine Lust mit Beckenbodentraining steigern?

Oftmals wird Lustlosigkeit dadurch gefördert, dass dein Becken im Laufe der Wechseljahre schlechter durchblutet wird und die Beckenbodenmuskeln schlaffer werden. Dadurch kannst du deine Blase nicht mehr so gut kontrollieren und entspannst beim Sex möglicherweise nicht richtig, weil du Angst vor dem Austreten von Urin hast.

Weil die Muskulatur des Beckenbodens die Weite der Vagina reguliert, sinkt ihre Empfindsamkeit außerdem durch das Erschlaffen dieser Muskeln. Du kannst allerdings selbst aktiv werden: Durch bewusstes Anspannen und Loslassen der Muskeln kannst du auf Dauer deinen Beckenboden trainieren und wieder mehr Spaß am Sex erleben, weil du den Penis deines Mannes viel besser spürst.

Mit Hilfe der so genannten Kegel-Methode kannst du jederzeit auf der Toilette loslegen: Unterbreche zunächst deinen Harnfluss, indem du deine Muskeln im Unterleib anspannst. Halte diesen Zustand einen kurzen Moment und lasse dann wieder los. Diese Übung kannst du auch unabhängig vom Wasserlassen ausführen: Spanne einfach bewusst die Muskeln in deinem Unterleib an. So kannst du im Auto oder auch beim Schlange stehen im Supermarkt deinen Beckenboden trainieren.

Wenn du diese Übung mehrmals hintereinander wiederholst und regelmäßig ausführst - egal, ob auf der Toilette oder an der Kasse im Supermarkt - stärkt das auf Dauer deine Muskulatur und erhöht so auch dein Lustempfinden. "Beckenbodentraining ist definitiv ein wichtiger Faktor - im mittleren Alter noch mehr als bereits bei jungen Frauen", erklärt Prof. Dr. Schultz-Zehden.

Wie kann ich in der Beziehung mit meiner Lustlosigkeit umgehen?

Sexuelle Unlust solltest du in jedem Fall ernst nehmen, sobald du dich damit unwohl fühlst. Generell gibt es allerdings zwei Dinge zu beachten: Dass dein Interesse an Sex im Laufe einer langen Partnerschaft nachlässt ist erst mal ganz normal und bedeutet nicht sofort, dass in eurer Partnerschaft etwas nicht stimmt.

Oft kann es sich ja auch befreiend anfühlen, nicht ständig Sex haben zu "müssen", sondern stattdessen mehr Wert auf Qualität zu legen. Eine Langzeitstudie der Uni Rostock beweist, dass die sexuelle Zufriedenheit auch im höheren Alter generell stabil bleibt, Zärtlichkeiten im Vergleich zum Geschlechtsverkehr aber viel wichtiger für ältere Paare sind.

Um herauszufinden, ob deine sexuelle Unlust einen ernsteren Hintergrund hat, solltest du deshalb in dich hineinhorchen und dir folgende Fragen stellen.

Diese Fragen solltest du dir bei Lustlosigkeit in den Wechseljahren stellen

  • Seit wann habe ich keine Lust mehr auf Sex?

  • Belasten mich gerade Konflikte in Job, Familie oder Partnerschaft?

  • Was bedeutet mir Sex mit meinem Partner*meiner Partnerin?

  • Gefällt mir alles, was er*sie im Bett mit mir macht?

  • Leidet mein Mann an Erektionsstörungen oder vorzeitigem Samenerguss?

  • Leide ich an einer chronischen Erkrankung?

  • Welche Medikamente nehme ich regelmäßig ein?

  • Habe ich Schmerzen beim Sex?

  • Wie geht mein*e Partner*in mit meiner Lustlosigkeit um?

  • Habe ich eigentlich schon Lust, aber nicht auf den Sex, den ich gerade mit meinem Partner*meiner Partnerin haben kann?

Vielleicht willst du einfach deshalb keinen Geschlechtsverkehr, weil sich Routinen eingespielt haben, die Sex einfach langweilig für dich machen. Unsere Lust ist eben flexibel und kann mal mehr, mal weniger vorhanden sein - bleibt sie aber irgendwann dauerhaft aus, kann das wirklich auf Probleme in der Beziehung hindeuten.

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Sexualität ist manchmal hochkompliziert - und zwar in jedem Alter. Doch was spätestens ab den Wechseljahren von besonders großer Bedeutung für ein erfülltes Sexleben ist, ist der Faktor Zeit: Während ältere Männer größere Schwierigkeiten haben, eine Erektion zu bekommen und zu halten, dauert es bei Frauen länger, bis sie erregt und feucht genug werden. Deshalb solltest du dir umso mehr Ruhe für ein zärtliches Vorspiel nehmen und möglichen Störfaktoren mit Humor und Offenheit begegnen. Redet miteinander, probiert weiterhin Neues aus und sprecht über eure Wünsche!

Versuche außerdem, Muster und Routinen zu durchbrechen - und das nicht nur im Bett. Ann-Marlene Henning rät: "Fange an, jeden Tag kleine Dinge anders zu machen als gestern. Das bringt eine ganz andere Energie rein und man sieht den anderen wieder." Wer sitzt zum Beispiel wo beim Fernsehen? Wie und was esst ihr? Diese und weitere Kleinigkeiten abzuwandeln kann für frischen Wind sorgen und letzten Endes auch zur Libidosteigerung beitragen.

Fazit

Das Problem der Lustlosigkeit hängt sehr stark damit zusammen, wie es um dich in deiner ganz persönlichen Lebenssituation bestellt ist. "Deshalb ist es sehr schwierig bis unmöglich, allgemeingültige Ratschläge zur Behebung der sexuellen Unlust zu geben", sagt Prof. Dr. Beate Schultz-Zehden. "Eine individuelle Beratung ist dabei dringend notwendig - aber die Frauen müssen sich auch trauen, mit ihrem Arzt und letzten Endes auch ihrem Mann offen darüber zu sprechen." Sich selbst genauestens unter die Lupe zu nehmen ist deshalb unverzichtbar, genauso wie euren Beziehungsalltag. Was Beschwerden wie generelle Niedergeschlagenheit und eine trockene Vagina betrifft, können homöopathische Mittel, eine bewusste Ernährung, sportliche Übungen wie Hormon-Yoga oder auch Hormonpräparate deine Lust steigern. So kommst du einer zufriedenstellenden Libido einen großen Schritt näher.

Quellen