Pro & Contra

Organspende: Warum das Alter egal, aber die Entscheidung so wichtig ist

Organspender sind selten – obwohl das Alter keine Rolle spielt. Dennoch wird die persönliche Entscheidung oft nicht kommuniziert. Welche Probleme dadurch entstehen, erklärt uns eine Expertin.

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Die Organspende ist wichtig und viele Menschen in Deutschland wollen spenden. In der Praxis kommt dieser Wille aber nicht an. Der Hauptgrund: Keine Entscheidung zu Lebzeiten. Expertin Dr. med. Ebru Yildiz erklärt, welche Probleme es gibt und was jetzt für dich wichtig ist.

Organspende: Alter spielt keine Rolle, doch es gibt Voraussetzungen

Eine Organspende kann Leben retten, ist in den meisten Fällen aber auch mit dem Tod eines Menschen verbunden. Prinzipiell kann jeder Mensch zum Spender werden, erklärt Dr. med. Ebru Yildiz, Leiterin des Westdeutschen Zentrums für Organtransplantation (WZO) der Universitätsmedizin Essen: „Ein Mindest- oder Höchstalter gibt es nicht. Die älteste uns bekannte Organspenderin war 93 Jahre alt. Sie hatte ihre Nieren gespendet, diese wurden nach 5 Jahren kontrolliert und haben immer noch gut funktioniert.“

Letztlich könne aber aus medizinischen Gründen nicht jeder Mensch alle soliden Organe spenden, auch wenn dies theoretisch machbar sei. „Nur aktive Krebserkrankungen und eine aktive HIV-Infektion führen zum Ausschluss. Potenzielle Organspender werden vor jeden potenziellen Spende untersucht, ob sie wirklich spenden können“, so Yildiz.

Organspende: Welche Organe können gespendet werden?

Gespendet werden können grundsätzlich alle Organe. Dazu zählen unter anderem die sogenannten soliden Organe:

  • Leber

  • Lunge

  • Nieren

  • Herz

  • Pankreas (Bauchspeicheldrüse)

  • Dünndarm

Daneben gibt es auch noch Gewebespenden, z.B.:

  • Haut

  • Hornhaut

  • Herzklappen

  • Knorpel

  • Knochen

Eine Blutspende sei in diesem Fall nicht vorgesehen. Es werde lediglich Blut zur Diagnostik abgenommen.

Zwar kann ein einzelner Mensch wie gesagt alle soliden Organe spenden, die Realität zeichne allerdings ein anderes Bild: „Die Statistiken von 2022 zeigen leider, dass durchschnittlich nur 2,5 Organe pro Organspender gespendet wurden. Es ist lange nicht so, dass wirklich jeder Organspender auch alle Organe spenden kann.“ Die Gründe seien u.a. im stetig wachsenden Alter der Versterbenden zu finden, was auf die stetig verbesserte medizinische Entwicklung zurückzuführen sei.

„Dadurch sind sie aber auch kränker und kommen für die Spende nicht mehr in Frage“, führt Dr. Yildiz aus. So gibt es einige medizinische Gründe, die ein bestimmtes Organ von der Spende ausschließen: Wer lange auf der Intensivstation gelegen habe, könne aufgrund einer Infektion oft die Lunge nicht spenden, nach einer Reanimation müsse auf das Herz verzichtet werden.

Wann darf ich Organe spenden?

Für die Spende solider Organe und bestimmter Gewebespenden muss ein ganz genau festgelegter Ablauf eingehalten werden, da diese nur nach einem festgestellten Hirntod entnommen werden dürfen. Eine Ausnahmeregelung bietet die Lebendspende, die bei Niere und Leber möglich ist. Doch wie funktioniert dieser Ablauf eigentlich?

Wirst du in einen Unfall verwickelt, wäre das Wichtigste, dass du erst einmal ins Krankenhaus kommst. „Es würde niemandem einfallen, im Geldbeutel nach Ausweisen zu schauen – außer die Person würde direkt vor Ort versterben und der Tod ist festgestellt. Dann ist die Person allerdings kein Organspender mehr.“ Der Ablauf zur Spende ist viel strenger – auch zeitlich – geregelt.

Die Voraussetzung für die Organspende ist der Hirntod, doch während der Entnahme werden organfunktionserhaltende Maßnahmen wie die Beatmung natürlich beibehalten, sonst funktionieren die Organe nicht mehr. Nur, wenn Patienten eine vollumfängliche Intensivtherapie genossen haben, wären sie potenzielle Organspender“, weiß die Transplantations-Expertin.

Die Feststellung des Hirntods unterliegt festgelegten Regularien, erzählt uns Dr. Yildiz. „Der Hirntod wird nach den Richtlinien der Bundesärztekammer festgestellt. Es ist ganz genau festgelegt, welche Ärzte das machen dürfen. Der irreversible Hirntod muss durch zwei Ärzte festgestellt werden“, sagt sie. „Zunächst wird der Hirntod durch eine klinische Untersuchung festgestellt, danach muss zudem bestätigt werden, ob der Hirntod irreversibel ist. Dieser Vorgang kann auch durch zwei weitere Ärzte vorgenommen werden und ist ebenfalls ganz genau – auch zeitlich – geregelt.“

Von wem das gespendete Organ komme, dürfen Begünstigte in Deutschland allerdings nicht erfahren.

Trauerfeier nach Organspende: Aufbahrung kein Problem

Falls du Angst hast, dass nach deiner Organspende keine Aufbahrung bei einer Trauerfeier möglich ist, können wir dich beruhigen. Auch Dr. Yildiz betont, dass das auf jeden Fall möglich sei: „Es ist eine ganz normale Operation und daher wird nach der Entnahme eine Naht gesetzt, wie es bei jeder anderen Operation gemacht wird. Das ist unabdingbar.“

Doch nicht nur die Aufbahrung ist daher möglich, auch die Verabschiedung von der Person nach der Organspende ist kein Problem. „Die Angehörigen werden von uns immer gefragt, ob sie sich nach der Operation noch verabschieden wollen“, sagt sie, doch die Möglichkeit werde eher selten angenommen.

Auch bestimmte religiöse Bräuche sprächen nicht gegen eine Organspende. „Rituelle Waschungen, wie sie im Islam und anderen Religionen vorgenommen werden, können nach einer Organentnahme ganz normal durchgeführt werden“, erklärt die Ärztin.

Zudem erzählt sie, dass die Organspende von Angehörigen aller Religionen zunächst oft abgelehnt werde, wofür es allerdings keine Grundlage gebe – und das Prinzip der Nächstenliebe spreche eigentlich ganz klar dafür: „Prinzipiell wird die Organspende von keiner Religion explizit ausgeschlossen. Das haben mir auch verschiedene Religionsgelehrte in Gesprächen so bestätigt.“

Organspende: Entscheidung wird auf Angehörige abgewälzt

Warum also gibt es so wenige Organspender, obwohl doch so viele Menschen eigentlich davon überzeugt sind? Ein Aspekt sei, dass die Entscheidung für die Organspende zu Lebzeiten oftmals nicht kommuniziert werde, doch „das große Problem liegt darin, dass die meisten ihre Entscheidung noch gar nicht gefällt haben“ – und so seien Angehörige unwissend.

Das Problem: Sie müssen dann für die Person entscheiden, ob sie ihre Organe spenden wollten oder nicht. Das wird gerade in Extremsituationen dann oft zu einer Entscheidung gegen die Spende.

„Die Zahl der Organspender entwickelt sich weiterhin sinkend. 2022 gab es einen Abfall von 8,4 Prozent“, beschreibt Dr. Yildiz die aktuellen Statistiken. „Die Tendenz ist für uns Mediziner angsteinflößend.“

Ein Organspendeausweis hilft bei der Entscheidung, denn neben der Zustimmung kann auch die Ablehnung ausgesprochen werden - und nimmt Angehörige aus der Verantwortung. (Themenbild)
Ein Organspendeausweis hilft bei der Entscheidung, denn neben der Zustimmung kann auch die Ablehnung ausgesprochen werden - und nimmt Angehörige aus der Verantwortung. (Themenbild) Foto: Martin-Lang/iStock

Dabei besteht eine große Diskrepanz zwischen Wollen und Tun. „Es wird in den Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) deutlich, dass über 80 Prozent der Menschen in Deutschland pro Organspende sind und ihre Organe auch spenden wollen würden.“

Denn es warten eigentlich etwa 10.000 Menschen in Deutschland auf eine Transplantation – und die Dunkelziffer sei deutlich höher, da sich viele Menschen gar nicht erst auf die Liste setzen lassen würden. Die Gründe seien vielfältig und reichten von Angst bis hin zu Hoffnungslosigkeit.

 „Jedenfalls sehen wir diese 80 Prozent in den Kliniken nicht, ganz im Gegenteil. Etwa 10 Prozent der Patientinnen und Patienten unter den potenziellen Organspendern haben einen Organspendeausweis, bei den restlichen müssen wir das erfragen“, sagt die Medizinerin.

So führe das eine zum anderen: „Es sind einfach Ängste, die die Menschen haben und sie daran hindern, ihre Entscheidung zu treffen.“

Eine zu Lebzeiten nicht besprochene Entscheidung müssten dann Angehörige treffen, die zu diesem Zeitpunkt noch in Trauer seien. Daher falle zunächst oft die Entscheidung gegen die Organspende. Dafür bringt Dr. Yildiz großes Verständnis auf, doch „das ist das Problem, mit dem wir eigentlich kämpfen“.

Dennoch kann die Organspende-Expertin die Entscheidung verstehen: „Es ist völlig nachvollziehbar, dass Angehörige Angst haben, die falsche Entscheidung zu treffen und nicht sofort ‚Ja‘ sagen.“

Auch sie selbst habe bei ihrem Job-Antritt zur Transplantationsbeauftragten mit einer solchen Entscheidung zu kämpfen gehabt – wenn auch nicht im Notfall, sondern im Grundsatz: „Ich habe eine ganz andere Verantwortung gespürt und in meinem Umfeld geschaut: ‚Wüsste ich denn die Entscheidung meiner Angehörigen?‘ Bei den Erwachsenen war die Antwort ‚Ja‘, aber dann ist mir aufgefallen, dass es auch meine Kinder gibt – und für die MUSS ich die Entscheidung sogar treffen.“

Sie habe für die Entscheidung zweieinhalb Wochen gebraucht und dabei einen inneren Druck verspürt. „Wenn ich das nicht positiv beantworten kann, brauche ich diesen Job nicht machen. Trotzdem hat es über zwei Wochen gedauert, bis ich die Entscheidung treffen konnte. Da kann ich nicht von Eltern, Kindern oder Ehepartnern erwarten, eine schnelle Entscheidung innerhalb von 24 Stunden zu treffen.“

Diese werde aber in der Praxis von den Angehörigen auch nicht erwartet, „denn sie brauchen Zeit“, formuliert Dr. Yildiz den Weg zum Ziel. „Es ist eine große Bürde, die man Angehörigen hinterlässt, wenn man sich keine Gedanken dazu gemacht und keine Entscheidung getroffen hat.“

Das Problem für dich persönlich ist also: Wenn du das nicht entscheidest, wird im schlimmsten Fall deine Tochter oder dein Sohn gefragt, sofern sie volljährig sind. Oder umgekehrt musst du das für deine Eltern entscheiden.

„Es ist natürlich nicht schön, wenn der Verstorbene gerne gespendet hätte, aber die Kinder das nicht zugelassen haben, weil es zu Lebzeiten nie besprochen wurde“, beschreibt sie die Problematik und richtet den Blick beispielhaft in die Zukunft: „Das ist eine Entscheidung, die die Ärzte nach ein paar Tagen wieder vergessen haben, aber die Angehörigen müssen damit ihr Leben lang zurechtkommen. Und davon müssen wir weg.“

Wie dieses Wegkommen funktioniere, erklärt sie mit einem Nachsatz. Es könne natürlich immer vorkommen, dass Menschen ihre Entscheidung änderten – in beide Richtungen.

Wichtig sei es daher, das Thema präsent zu halten in den Medien, damit die Menschen darüber miteinander sprechen: „Dadurch gibt es immer wieder Personen, die die Entscheidung kennen und wissen, was der andere gewollt hätte. Es tut auch uns Ärzten gut, wenn wir wissen, welche Entscheidung getroffen wurde – auch bei einem Nein.“

Organspendeausweis: Darum ist er so sinnvoll für dich

Viele Menschen wollen eigentlich einen Organspendeausweis haben, aber kommen einfach nicht dazu. Und tatsächlich ist er nicht nur für Organspender sinnvoll, sondern auch für Menschen, die ihre Organe nicht spenden wollen – es kann der Spende nämlich auch explizit widersprochen werden.

Aber wie kommst du an den Ausweis? Der liegt zum Beispiel in Krankenhäusern aus und soll in Zukunft vermehrt in Hausarztpraxen ausgelegt werden, doch du kannst ihn auch ganz einfach online bestellen. „Der Organspendeausweis kann bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) bestellt werden, aber auch alle Kliniken, die mit Transplantation zu tun haben – die Transplantationszentren – bieten das an." Außerdem kannst du ihn unter www.organspende-info.de erhalten.

Die Universitätsmedizin Essen hat mit www.organspende-essen.de ebenso eine eigene Seite, wo der Organspendeausweis online bestellt werden kann: „Außerdem ist das bei der ‚Stiftung Überleben‘ möglich – es gibt viele Orte, von denen man sich das direkt nach Hause bestellen kann.“

Organspendeausweis online? Noch nicht so ganz

Den Organspendeausweis als App gibt es leider nicht, aber „es gibt eine innovative Idee. Die Organisation ‚Junge Helden‘ bietet einen Bildschirmschoner an.“

Für die Fachärztin ist ein digitaler Organspendeausweis allerdings wünschenswert, ebenso wie das Organspenderegister, also ein zentraler Ort, an dem deine Entscheidung online gespeichert wird: „Eigentlich hätte das Organspenderegister letztes Jahr im Frühjahr starten sollen, es wird Stand heute aber frühestens 2024 erwartet. Eine Umsetzung des digitalen Organspendeausweises und des Organspenderegisters wäre sehr, sehr sinnvoll.“

Daneben gibt es von „Junge Helden“ zurzeit eine Kampagne, der vor allem Tattoo-Fans etwas abgewinnen könnten. Ein sogenanntes Opt Ink signalisiert ebenfalls die Zustimmung zur Organspende und kann den Entscheidungsprozess im Ernstfall vielleicht beschleunigen – und im Gespräch über die eigene Körperkunst vielleicht auch andere zu einer Entscheidung bringen. Das Tattoo kannst du hier sehen. Netter Bonus: Es wird in vielen Tattoostudios kostenlos angeboten.

Organspendeausweis: Widerspruchslösung ersetzt ihn nicht

Im Moment ist für eine Organspende entweder der Organspendeausweis oder die Zustimmung der Angehörigen notwendig. Die in der Politik immer wieder diskutierte Widerspruchslösung würden den Organspendeausweis allerdings nicht zwangsläufig hinfällig machen: „Bei der Widerspruchslösung bräuchte man dann einen Ausweis, in dem ein Nein angegeben ist, oder es Angehörigen gegenüber explizit ausgesprochen haben – sonst wäre man potenzieller Organspender.“

Welchen Vorteil soll es dadurch für die Organspende geben? Das jetzige Verfahren sei jedenfalls problematisch, meint Dr. Yildiz: „Es steht eine Freiwilligkeit hinter der Entscheidung, und daher macht es keiner.“ Deswegen setzt sie ihre Hoffnung in die Widerspruchslösung, die im Übrigen in der gesamten EU gilt – nur in Deutschland nicht. „Ich erhoffe mir dadurch, dass sich die Menschen einfach mit dem Thema auseinandersetzen und sich entscheiden“, sagt sie, schränkt aber ein, dass dies nicht automatisch zu sehr viel mehr Organspenden führe.

„Ich sage nicht, dass es ein Ja sein muss, aber die Menschen müssen dazu aufgefordert werden zu entscheiden, ob sie das wollen oder nicht“, fordert die Fachärztin. Einen Zwang durch die Politik hält sich jedoch für vollkommen falsch. „Dahinter könnte keine Strafe stehen – und so steht man am Ende bei einer nicht getroffenen Entscheidung wieder vor der gleichen Frage wie jetzt.“

Organspendeausweis im Ausland: Das passiert, wenn du im Ausland verstirbst

Ein weiterer Punkt, der viele Menschen umtreibt, ist was passieren wird, wenn sie mit einem Organspendeausweis im Ausland versterben. Tatsächlich sei der Ausweis im Ausland eher unbekannt, sagt Dr. Yildiz. Wenn man ihn bei sich habe, habe er aber trotzdem eine Gültigkeit.

Wenn jemand im Ausland versterbe bzw. kurz davorstehe, gelte grundsätzlich die jeweilige Gesetzeslage – also im europäischen Ausland wie bspw. Österreich die Widerspruchslösung. Es sei aber nicht so, dass jemandem ungefragt Organe entnommen würden: „Weder dort noch in einem anderen Land wird die Organspende einfach vollzogen, wenn man nicht vorher mit Angehörigen gesprochen hat.“

Organspende: Wartezeit auf Organe beträgt mehrere Jahre

„Gäbe es mehr Organe, würde es schneller gehen und wir hätten vermutlich noch mehr Menschen, denen wir helfen könnten“, vermutet Dr. Yildiz. Doch auch schon ohne die erhoffte Erhöhung der Spendenzahl sei die Warteliste für die Organe lang.

Die Wartezeit für die verschiedenen Organe sei aber unterschiedlich:

  • Niere: 8-10 Jahre

  • Leber: 4 Jahre

  • Herz: 2-4 Jahre

  • Lunge: 2-4 Jahre

Bei der Wartezeit für Herz, Leber und Lunge sei allerdings wichtig zu wissen, dass viele Menschen die Zeit auf der Warteliste nicht überlebten: „Viele bekommen das benötigte Organ nicht. Die Patienten werden schneller krank, da es kein Ersatzverfahren gibt.“

Hier zeige sich der Unterschied zur Niere, was auch die lange Wartezeit erkläre, denn der Wartezeitraum könne mithilfe einer Dialyse überbrückt werden. „Das sollte allerdings nicht schöngeredet werden, da die Dialyse nur 10-15 Prozent der eigentlichen Nierenfunktion ersetzen kann. Das heißt: 85 Prozent der Gifte lagern sich in den Gefäßen im Körper ab und der Patient wird mit jedem Jahr kränker.“

Länderübergreifende Organvergabe und Dauer der Transplantation

Wenn ein Organ vergeben wird, tritt ein klar geregeltes Verfahren in Gang, denn die Zeit, die ein Organ außerhalb eines Körpers „frisch“ bleibt, variiert.

 Bei der Niere hat man etwas mehr Zeit, bis das Organ transplantiert werden muss. Wir sind glücklich, wenn es innerhalb von 12 Stunden transplantiert ist, aber es können theoretisch bis zu 24 Stunden vergehen – wobei das schon kritisch wird“, erklärt die Expertin das Vorgehen. „Eine Leber sollte innerhalb von 12 Stunden transplantiert sein. Herz und Lunge innerhalb von 4-6 Stunden nach Entnahme.“

Damit das wirklich gewährleistet sei, würde von der Entnahme bis zur Einpflanzung des Organs alles genau geplant – und diese sogar in ganz Europa verteilt: „Organe werden tatsächlich EU-weit hin- und hergeflogen – auch Lunge und Herz, obwohl besonders wenig Zeit herrscht. Es wird sich danach gerichtet, wer das Organ bekommen soll. Das wird über ET (Eurotransplant) entschieden, die Vermittlungsstelle in Leiden (Niederlande).“

Ein kleines Beispiel: „Wenn das Herz innerhalb der EU verteilt werden soll, richtet man sich nach dem Team, das die Eingriffe durchführen soll. Die Anreise findet in der Regel mit einem kleinen Flugzeug statt.“

Zu den Zeiten und der Planung gehöre aber auch der Fakt, dass die Operationen unterschiedlich kompliziert seien. Kritisch hierbei sei, dass ausgerechnet die Organe, die nicht so lange außerhalb vom Körper bleiben könnten, die seien, bei denen es komplizierter werde: „Die Niere wird recht oberflächlich transplantiert, da sie nicht an den alten Platz unter die Lungen, sondern in das Becken kommt, was die OP sehr erleichtert und beschleunigt. Bei Herz und Lunge ist das schwieriger, da die Transplantation länger dauert – aber dadurch, dass man weniger Zeit hat, wächst natürlich der Druck.“

Dieser Druck sei allerdings inzwischen gut handhabbar. „Inzwischen ist die Transplantationsmedizin eine Spitzenmedizin, auch bedingt durch neue Medikamente, die auf dem Markt sind. Abstoßungsreaktionen können inzwischen sehr gut kontrolliert werden, ebenso Infektionen. Man hat eine gute Lebensqualität nach einer Transplantation“, weiß die Ärztin.

Organspende: Mehrfache Transplantation möglich – und bei Kindern notwendig

Die schon genannte Abstoßungsreaktion sei nach wie vor schlecht, aber könne abgefedert werden. „Einem Menschen kann mehrfach dasselbe Organ transplantiert werden. Theoretisch muss zwischen den Transplantationen keine vorgegebene Zeit liegen. Es gibt auch die seltenen Fälle einer sogenannten ‚Never function‘, also einer sofortigen Abstoßung. Dann muss das Organ – außer die Niere – auch wieder sofort retransplantiert werden“, so Dr. Yildiz, beschwichtigt aber: „Zum Glück kommt das nur sehr selten vor.“

Wenn ein Kind jedoch beispielsweise ein Organ bekomme, müsse es nach einigen Jahren wieder ein neues erhalten. „Ein transplantiertes Organ hält nur eine bestimmte Zeit, eine Niere im Schnitt bspw. 10 Jahre. Da kann man sich ausrechnen, dass dieser Mensch mehr als ein Organ in seinem Leben benötigen wird. Bei der Niere kommt das häufiger vor als bei anderen Organen“, beschreibt Dr. Yildiz das Prozedere.

Weitere Infos über die Organspende

Falls du dir noch weitere Informationen zum Thema wünschst, kannst du dich auf verschiedenen Seiten im Internet ausführlich und dennoch übersichtlich informieren. Auf www.organspende-essen.de und www.wzo-essen.de werden in einem PDF die am häufigsten gestellten Fragen kurz und bündig beantwortet. Auch Dr. Yildiz ermutigt, sich damit auseinanderzusetzen: „Da ist man innerhalb von 5 Minuten mit durch.“ Falls danach weitere Fragen entstehen, kannst du ihr unter wzo@ume.de sehr gerne schreiben: „Wir beantworten alle Fragen.“

Zur Person

Dr. Ebru Yildiz ist Leiterin des Westdeutschen Zentrums für Organtransplantation (WZO) der Universitätsmedizin Essen.
Foto: Universitätsmedizin Essen

Dr. med. Ebru Yildiz ist die Leiterin des Westdeutschen Zentrums für Organtransplantation (WZO) der Universitätsmedizin Essen.

Artikelbild und Social Media: Martin-Lang/iStock (Themenbild)

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