Verhütungs-Apps: Wie sicher sind sie?
Immer mehr Frauen wollen Verhütung ohne Hormone und setzen auf Verhütungs-Apps wie Natural Cycles und Ovy. Doch wie sicher sind die Verhütungs-Apps?
Verhütungs-Apps wie Natural Cycles, MyNFP, OvyView oder Ovy sind stark im Trend, denn viele Frauen wünschen sich eine natürliche Verhütung ohne Hormone. Was du zu dieser Form der Verhütung wissen musst.
Wie die Verhütung mit Verhütungs-Apps funktioniert
Du misst morgens direkt nach dem Aufwachen deine Basaltemperatur. Dazu schiebst du ein Basalthermometer, welches die Temperatur mit zwei Nachkommastellen anzeigt, unter deine Zunge.
Das Ergebnis gibst du in deine Verhütungs-App ein. Anschließend zeigt dir die App an, ob du heute einen fruchtbaren Tag hast, ob du also schwanger werden kannst oder nicht. Außerdem gibt sie an, wann der Eisprung zu erwarten ist und wann du deine nächste Periode bekommen wirst. Zur Entwicklung einer zuverlässigen Zykluskurve braucht es einige Monate Zeit.
Diese Zykluskurve kannst du entweder zur Verhütung ohne Hormone nutzen, oder aber du nutzt sie, um deine Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen.
Viele Frauen mit Kinderwunsch nutzen Apps wie Natural Cycles, um herauszufinden, wann ihr nächster Eisprung stattfinden wird, damit sie im entsprechenden Zeitraum Sex haben können. Wer nicht schwanger werden möchte, muss an fruchtbaren Tagen zusätzlich zur Verhütungs-App mindestens ein mechanisches und/oder chemisches Verhütungsmittel nutzen, wie etwa ein Kondom oder ein Diaphragma.
Lies hier: Welche Verhütungsmethoden gibt es? - Alle Mittel zur Empfängnisverhütung im Überblick
Zusätzlich zur Messung der Temperatur kannst du deine Fruchtbarkeit unter anderem an der Konsistenz des Zervixschleims beurteilen. Dabei handelt es sich um das Sekret, das ständig aus der Vagina austritt. Die Konsistenz verändert sich im Laufe des Zyklus.
Mehr dazu hier: Natürliche Verhütung mit den fruchtbaren Tagen.
Vorteile der Verhütung mit Verhütungs-Apps
Verhütung mit Verhütungs-Apps ermöglicht es den Frauen, ein Bewusstsein für ihren Zyklus zu entwickeln. Dieses Wissen können sie gezielt nutzen, um ihren Körper je nach Zyklusphase mit passender Ernährung, Wellness oder Fitness zu unterstützen und sich besser zu fühlen.
Der größte Vorteil der Verhütung mit Verhütungs-Apps ist sicherlich die Vermeidung der Risiken, die andere Verhütungsmittel mit sich bringen, denn der natürliche Hormonhaushalt der Frau bleibt erhalten.
Hormonelle Methoden wie etwa die Pille, Hormon-Spritzen, Hormon-Implantate oder Hormonspiralen können beispielweise das Risiko für Nebenwirkungen wie Thrombosen, Akne, Libidoverlust oder depressive Verstimmungen erhöhen.
Andere nicht-hormonelle Methoden wie die Kupfer-, Silber- und Goldspirale oder Kupferball und Kupferkette können beispielsweise längere, stärkere und schmerzhaftere Blutungen während der Periode auslösen.
Nachteile der Verhütung mit Verhütungs-Apps
Verhütung mit Verhütungs-Apps oder auch Verhütungscomputern, die vorwiegend auf der täglichen Messung der Körpertemperatur basieren, erfordern ein großes Maß an Disziplin und Gewissenhaftigkeit. Für Frauen, die eine tägliche Messung zur gleichen Zeit nicht garantieren können, etwa wegen einer reisenden Tätigkeit, ist diese Verhütungsmethode also nicht geeignet.
Frauen, die mit diesen Methoden verhüten möchten, müssen ihren Körper sehr gut kennen und beobachten. Das bedeutet auch täglich einen gewissen Zeitaufwand. Die Spontaneität des Liebeslebens wird eingeschränkt. An fruchtbaren Tagen ist Sex tabu – es sei denn, man greift zusätzlich auf ein mechanisches und ein chemisches Verhütungsmittel zurück.
Auch für Frauen mit unregelmäßigen Zyklen, beispielsweise durch Einnahme bestimmter Medikamente, Chemotherapie oder bei jugendlichen Frauen ist die Verhütung mit Verhütungs-Apps ebenfalls nicht geeignet. Zusätzliche Faktoren wie Stress, Krankheit, Alkohol oder zu wenig Schlaf können die Basaltemperatur derart stark beeinflussen, dass keine zuverlässige Aussage zur Fruchtbarkeit mehr möglich ist.
Verhütungs-Apps bieten keinen Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten, wie etwa HIV.
Beispiele für Verhütungs-Apps: Natural Cycles und Ovy
An dieser Stelle möchten wir euch beispielhaft zwei der Verhütungs-Apps vorstellen, die aktuell am Markt sind.
Verhütungs-App Natural Cycles
Die Verhütungs-App Natural Cycles (naturalcycles.com) ist ein zertifiziertes Medizinprodukt der Klasse IIb. Damit befindet sich Natural Cycles in derselben Medizinprodukt- und Risikokategorie wie ein Kondom. Natural Cycles ist bis jetzt weltweit die einzige Zyklus-App in dieser Risikoklasse.
Ganz klassisch basiert die Zykluskurve der App auf täglicher Temperaturmessung. Nach Eingabe der Daten vom Basalthermometer zeigt die App an, ob du einen fruchtbaren Tag hast.
Kosten: Das Monatsabo kostet 8,99 Euro pro Monat, kein Thermometer inbegriffen. Das Jahresabo kostet 5,40 Euro monatlich, Thermometer inbegriffen (65 Euro jährlich).
Zyklus-Health-App Ovy
Die Zyklus-App Ovy (ovyapp.com), die kürzlich von den Hamburgerinnen Eva Wüller und Lina Wüller auf den Markt gebracht wurde, ermöglicht es Frauen ebenfalls ihren Zyklus zu verfolgen und zu verstehen. Ein Algorithmus in der App berechnet anhand der Aufwachtemperatur und anderer Körpersignalen wie Ausfluss, Periode und Energielevel die fruchtbaren Tage.
Die Zyklus-App Ovy ist aktuell noch nicht als Verhütungsmittel zertifiziert, allerdings ist langfristig die Zertifizierung geplant. Bei der App und der Hardware handelt es sich bereits um zertifzierte Medizinprodukte.
Für die beiden Ovy Gründerinnen stand vor ein paar Jahren fest, dass die tägliche Einnahme von Hormonen keine dauerhafte Option für sie ist. Zu hoch erschienen die möglichen Nebenwirkungen und Risiken wie Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen, Thrombosen oder Embolien. Als Lina, eine der beiden Ovy-Gründerinnen, sich vor zwei Jahren bei einer Gynäkologin über alternative Verhütungsmittel informierte, wurde ihr geraten, ihren Zyklus anhand der Temperaturmethode zu verfolgen. Die Dokumentation mit "Zettel und Stift" erwies sich allerdings als sehr fehleranfällig. Mit Ovy wollen Lina und ihre Schwester Eva dieses Problem lösen, indem sie Zyklus-App und Thermometer miteinander verbinden und den gesamten Prozess der natürlichen Zyklusverfolgung digitalisieren.
Was die App Ovy besonders auszeichnet, ist der ergänzende Health Coach: Passend zur jeweiligen Zyklusphase gibt die App Tipps zu Ernährung, Fitness und Wellness, damit die Frauen ihren Körper optimal dabei unterstützen können, die Herausforderungen des Alltags zu meistern und sich dabei gut zu fühlen.
Die Entwickler der Zyklus-App Ovy erläutern: „In den ersten zwei Zyklusphasen sind Frauen allgemein aktiver, leistungsstärker und motivierter (Eisprungphase). In der dritten und vierten Zyklusphase nach dem Eisprung generell passiver und weniger leistungsstark (Menstruationsphase). Ovy erkennt Muster im Zyklus der Nutzerin. Basierend auf der aktuellen Phase liefert der Health Coach individuellen Content in Bezug auf Ernährung und Fitness und verbessert die reproduktive Gesundheit der Nutzerin. Frauen mit Kinderwunsch können dadurch ihre Fruchtbarkeit erhöhen. Frauen, die natürlich verhüten, fühlen sich ausgeglichener und besser - etwa vor der nächsten Periode.“
Derzeit kann die App mit einem handelsüblichen Basalthermometer genutzt werden. Ab Ende 2017 soll es passend zur App ein Bluetooth-Thermometer geben, das die gemessene Aufwachtemperatur automatisch an die Ovy App überträgt. Das Eintippen per Hand entfällt damit.
Kosten: Die App ist aktuell kostenfrei in den App-Store erhältlich. Ein passendes Basalthermometer wird für 14,90 Euro angeboten. Für die Zukunft sind kostenpflichtige Angebote im Health Coach-Bereich angedacht, auch das Bluetooth-Thermometer wird kostenpflichtig sein.
Expertin warnt: Verhütungsapps sind unsicher!
Wie sicher eine Verhütungsmethode ist, sehen wir am jeweiligen Pearl Index. Der Pearl Index gibt die Zahl der Schwangerschaften an, die laut Statistik eintreten können, wenn 100 Frauen bzw. 100 Paare ein Jahr lang ein bestimmtes Verhütungsmittel anwenden.
Der Pearl-Index des Kondoms beträgt beispielweise bis zu 12. Das heißt, es werden bis zu 12 von 100 Frauen im Verlauf eines Jahres trotz der Anwendung eines Kondoms schwanger.
Verhaltensunabhängige Verhütungsmethoden wie die Hormonspiralen oder Hormonimplantate weisen einen Pearl-Index unter 1 auf, das heißt, dass nicht einmal 1 von 100 Frauen in einem Jahr Anwendung schwanger wird. Diese Methode ist also relativ sicher.
Anwenderinnen von Verhütungs-Apps arbeiten mit der Temperaturmethode. Die Sicherheit der Temperaturmethode wird mit einem Pearl-Index von 0,4 bis 1,8 angegeben. Das bedeutet: Wenn 100 Frauen ein Jahr lang mit der Temperaturmethode verhüten, werden nicht einmal zwei von ihnen trotzdem schwanger.
Jedoch gilt das nur, wenn bei der Anwendung alles richtig ablief und das ist eben doch das größte Manko dieser Methode. Eine Expertin warnt sogar: "Ich verwende mittlerweile nur noch den Begriff Zyklusapp [und nicht Verhütungsapp]. Denn eine Zyklusapp ist immer nur so gut wie es ihre Anwenderin ist: Die beste Technik nützt gar nichts, wenn Frau keine Ahnung von NFP und den Methodenregeln hat. Darüber hinaus sind die meisten Zyklusapps nicht für eine zuverlässige, hormonfreie Verhütung geeignet, da sie auf der unsicheren Kalendermethode beruhen. Selbst wenn Körpersymptome wie die Basaltemperatur oder der Zervixschleim in die App eingegeben werden können, bedeutet das noch lange nicht, dass diese Symptome bei der Auswertung berücksichtigt werden."
Darum empfiehlt sich die Verhütung mit der Temperaturmethode eher für Frauen, für die eine Schwangerschaft kein Drama wäre.